Factoring als Baustein zur Finanzierung von M&A
Börsen-Zeitung, 10.2.2018
Artikel in der Börsenzeitung vom 10.2.2018 als pdf
Gerade im Mittelstandssegment sind Factoringinstitute zunehmend interessante Partner – Aber auch bei internationalen Transaktionen gefragt
Seit der letzten Finanzkrise vor knapp neun Jahren wächst die Weltwirtschaft stetig. Finanzinvestoren haben viel Kapital angesammelt, und die Aktivitäten rund um Unternehmensakquisitionen haben entsprechend deutlich zugenommen. Seien es Unternehmenskäufe im Rahmen von Restrukturierungen, Nachfolgeregelungen, Ausgründungen oder Übernahmen generell, es wird munter investiert. Dabei bietet sich gerade bei Akquisitionen im Mittelstandssegment Factoring als interessanter Finanzierungsbaustein für Investoren an.
In vielen Phasen sinnvoll
Factoring kann in verschiedenen Phasen eines Unternehmenskaufs beziehungsweise -verkaufs sinnvoll eingesetzt werden: im Vorfeld, während oder nach einer Transaktionsphase. Für den Finanzinvestor oder privaten Kapitalgeber ergeben sich eine Bandbreite an Möglichkeiten und Vorteile. Bereits bei der Vorbereitung einer Akquisition (Due Diligence) kann das Know-how des Factors zur Überprüfung und detaillierten Analyse des Forderungsportfolios des Zielunternehmens genutzt werden. Hierdurch lassen sich versteckte Risiken im Forderungsmanagement aufdecken
und der wahre Wert des Forderungsportfolios ermitteln. Dies trägt zu einer realistischeren Beurteilung des Kaufpreises bei. Die durch den Forderungsverkauf freigesetzten liquiden Mittel bieten zudem mehr strategischen Handlungsspielraum oder können zur Realisierung von fremd finanzierten „gehebelten“ Unternehmensübernahmen (Leveraged Buy-outs – LBOs) herangezogen werden. Im Vorfeld eines Unternehmensverkaufs kann durch Tilgung der kurzfristigen zinstragenden Verbindlichkeiten im Rahmen von Factoring der Substanzwert gesteigert werden und damit potenzielle Preissteigerungen beim Unternehmensverkauf erzielt werden. In Vorbereitung eines Spin-off (zum Beispiel Management Buy-outs– MBOs) kann durch den Forderungsverkauf des abzutrennenden Unternehmensteils ebenso dessen Fremdfinanzierungsanteil reduziert und damit die finanzielle Unabhängigkeit im Vorfeld des Spin-off strategisch gestärkt werden, ohne dass die Beteiligung am MBO verwässert wird. Auch im Rahmen von Exit-Strategien bei Engagements in mittelständische Firmen können Kapitalgeber Factoring nutzen, beispielsweise um Überbrückungskredite oder vorrangige Verbindlichkeiten vorzeitig abzubauen und damit die Fremdfinanzierungskosten strategisch zu reduzieren.
Flexibel einsetzbar
Als zusätzlicher Finanzhebel im Rahmen der Selbstfinanzierung kann andersherum auf Käuferseite die frei gewordene Liquidität in Transaktionen dazu beitragen, den Anteil des eingesetzten Eigenkapitals zu reduzieren, ohne zusätzliche Fremdmittel aufnehmen zu müssen. Dieser Vorteil ist für renditeorientierte Private-Equity-Firmen interessant. Generell erweist sich Factoring bei Mergers als sehr flexibel einsetzbarer Finanzierungsbaustein. So kann Factoring bei strukturierten Finanzierungen neben Kreditfinanzierung und Private-Equity-Kapital als zusätzlicher Mergers&Acquisitions (M&A)-Baustein eingesetzt werden, um die für den Abschluss der Transaktion noch fehlenden Mittel beizutragen. Und nicht zuletzt optimiert Factoring das Forderungsmanagement und stabilisiert damit dauerhaft den Zufluss liquider Mittel, wodurch in ihrer weiteren Entwicklung gerade kleinere Firmen, wie beispielsweise Management Buy-outs, finanzielle Planungssicherheit gewinnen und aufgrund der „atmenden Finanzierung“ flexibel bleiben. Da Factoringverträge eher langfristig angelegt sind, erhält eine dauerhafte Partnerschaft mit einem Factor die finanzielle Unabhängigkeit. Die Finanzierung auf Basis angekaufter Forderungen wächst kongruent mit dem Unternehmen und unterliegt nicht dem Risiko instabiler Planungsverhältnisse, wie beispielsweise einer plötzlichen Kreditkündigung durch Banken. So trägt Factoring zur Stärkung der Liquidität bei, gerade in Wachstumsphasen oder bei saisonalen Schwankungen, aber auch zur Risikoabsicherung (durch die Übernahme des Delcredere durch den Factor) und nicht zuletzt zur Bilanzoptimierung (als Off-Balance-Finanzierung).
Voraussetzungen
Zunächst muss der Factor eine verlässliche Risikoeinschätzung vornehmen. Bei der Gestaltung von Factoringverträgen und -prozessen muss der Factor auf die besonderen Belange der Private-Equity-Branche eingehen (zum Beispiel sollte er möglichst keine zusätzlichen Covenants oder Mithaftungen verlangen) und den oftmals komplexen Finanzierungsumständen Rechnung tragen, gerade bei grenzüberschreitenden oder strukturiert finanzierten Akquisitionen. Die oftmals erhöhten Risiken eines Engagements, wie beispielsweise ein hoher Anteil an der Gesamtfinanzierung oder ein vertraglich festgelegtes Exit, muss der Factor in seiner Risikostrategie mitberücksichtigen. In diesem Zusammenhang ist auch die Homogenität der Ziele anderer Kapitalgeber (in der Regel Banken oder Private-Equity-Gesellschaften, aber auch das Unternehmensmanagement) vom Factor zu bewerten. Streben die Finanzpartner langfristige Partnerschaften an oder verfolgen sie eher kurzfristige Renditeziele? Wie ist die Verteilung der Risiken gestaltet und wie werden die Risiken bewertet?
Gegenseitiges Vertrauen
Da oft keine Vergangenheitszahlen vorliegen (zum Beispiel bei Carve-outs), bedarf ein Engagement eines hohen Maßes an gegenseitigem Vertrauen. Im Wesentlichen stellt der Factor dabei auf drei Aspekte ab: die Planzahlen des Investments, eine gute Asset-Qualität und ein signifikanter Eigenbeitrag des Investors. Für den Factor ist es daher wichtig, mit den jeweiligen Private-Equity-Gesellschaften und Banken eng zusammenzuarbeiten, gemeinsames Know-how auszubauen, um möglichst maßgeschneiderte Lösungen zu entwickeln. Besonders entscheidend ist dabei der zeitliche Faktor. Der Factoringanbieter sollte in der Lage sein, die Finanzierung zügig zu strukturieren und bereitzustellen, denn im harten Wettbewerb mit anderen Investoren müssen Private-Equity Gesellschaften Transaktionen oftmals in engen Zeitfenstern von wenigen Wochen vorbereiten und umsetzen.
Ausblick
Gerade im Mid-Cap-M&A-Markt gewinnt Factoring zunehmend an Bedeutung. Insbesondere für Private-Equity-Firmen sind Factoringinstitute attraktive Partner, da sie gehebelte Fremdfinanzierungen hervorragend ergänzen und die Private-Equity-Firmen Interesse an einer optimierten Risikobewertung und stärkeren Risikoverteilung bei Neuengagements haben. Gerade bei Turnaround-Finanzierungen wird Factoring durch Private-Equity-Firmen zusehends genutzt. Aber auch bei internationalen Transaktionen wird Factoring eine zunehmend wichtige Rolle spielen, da hier die Factoringgesellschaften ihr spezielles Know-how ausspielen können. Wichtige Faktoren auf Seiten des Factors sind Flexibilität, Schnelligkeit und Verlässlichkeit in der Bereitstellung der Finanzierung sowie ein entsprechendes Know-how im Umgang mit Private-Equity-Deals.